3.   Wo finden Sie die „richtige Distanz“ zwischen Sicherheit und Freiheit?

1.Einen idealen Balancepunkt zwischen Sicherheit und Freiheit wird man wohl kaum angeben können. Wie man zB an der aktuellen Situation sieht, lernen wir ja erst im Laufe der Entwicklung wie groß die Bedrohung unserer Sicherheit eigentlich ist. Dadurch sehen wir teilweise erst im Nachhinein wie angemessen unsere Maßnahmen waren. Es ist also „learning by doing“ mit einem ständigen Nachjustieren.
Wenn ich eine Umfrage machen könnte, würde ich sagen die aktuell richtige Distanz liegt vor, wenn ca. 60% der Leute die Maßnahmen richtig finden, 20% mehr Sicherheit wünschen und 20% mehr Freiheit.
Peter

 

 

2. Zwischen Freiheit und Sicherheit einen richtigen Abstand zu finden ist für mich schwierig. Wenn man nicht bereit ist, seine Komfortzone zu verlassen, geht man immer den gleichen Weg, da man weiß, was einem begegnet, was man hat, wo man ankommt, angebliche Sicherheit. Kann man auf einem festgetrampelten Weg einfach neues Saatgut streuen, das dann gedeiht und wächst? Mühselig und es braucht seine Zeit und Geduld.Entweder man hat die vermeintliche Sicherhei( Das Leben ist im ständigen Wandel) und verliert die Freiheit, oder man hat die Freiheit und geht das Risiko ein , gewisse Dinge nicht mehr in Sicherheit zu haben. Dabei ist für jeden Menschen die Definition von Freiheit und Sicherheit auch unterschiedlich.

Anonym 13

 

Kommentar: Ich denke, es ist ein sehr subjektives Empfinden, welches Maß an Sicherheit man braucht, um sich noch frei fühlen zu können. Sicherheit vor Krieg, Mord, Terror, Diebstahl etc., geregelt durch Recht, Gesetz und Ethik, ist wohl die „Grundausstattung“ der relativen Gefahrlosigkeit. Was man dann weiter für sich als Sicherheit möchte, ist individuell. Brauche ich ein total sicheres Auto? Entscheide ich mich für die optimale Schutzkleidungin meinem Sport oder genügt mir die Normalausstattung? Vergittere ich alle Fenster in meinem Haus? Wie viele Versicherungen sollte ich abschließen? Wasche ich den Mundschutz nach jedem Gebrauch? Wie viel Sicherheit mute ich meiner Freiheit zu? Wie viel Unsicherheit verträgt mein Sicherungsbedürfnis? Wie viel Unsicherheit brauche ich für mein freies handeln?

Sylvia

 

3. Man kann die richtige Distanz zwischen Sicherheit und Freiheit nicht
einfach festlegen. Man muss sich den ständig wechselnden Voraussetzungen
anpassen.

anonym1

 

 

4. Ich sehe keine harten Argumente für Antworten. Dazu denke ich einerseits zu persönlich; andererseits mangelt es mir an glaubwürdigen Fakten. Dass man stets das richtige Maß im Sinne der Vernunft einhalten solle, halte ich für trivial. (Unter Vernunft verstehe ich Rationalität, Gefühl und Nachhaltigkeit.) Als Bürger würde ich anders entscheiden als als Politiker. Als Ankerpunkt würde ich auf die Eudaimonievorstellungen von Aristoteles zurückgreifen.

Peter Richter

 

 

5. Freiheit als Selbstbestimmtheit in einem selbstgewählten Sicherheitsrahmen endet dann wieder da, wo ich durch mein Handeln das Handeln, die Sicherheit und die Freiheit eines anderen beschränke. Darf ich mich dazu entscheiden, mich nicht gegen eine Krankheit impfen zu lassen und mich damit der Gefahr aussetzen, die Krankheit zu bekommen und andere eventuell anzustecken? Kann ich verantworten, dass ich die Sicherheit anderer in Gefahr bringe? Oder ist es Sache des anderen sich selbst zu schützen, indem er sich impfen lässt, damit ich meine Impfverweigerung  frei ausleben kann?

Freiheit von allem würde ein uneingeschränktes Handeln ermöglichen, nichts behindert den Willen. Freiheit zu etwas setzt voraus, dass Rücksicht genommen wird auf Gesetze, Rechte, das Handeln anderer und dass ein gewisses Sicherheitslevel willentliches Handeln erleichtert.

Sylvia

 

 

 

6.    Verhältnismäßigkeit ist ein ständiges Politikum! Für unser Coronaproblem könnte das, was schon geschieht, die Lösung sein:

 

Zur Reduzierung ihres eigenen Gesundheitsrisikos halten sich Alte und Kranke solange quarantäneartig zurück bis eine Schutzimpfung z.V. steht. Die Jungen managen solange die Volkswirtschaft und genießen aber auch ihre Freiheit, mit Events und Reisen.

Karl-Heinz Kremer

 

Kommentar: Ich fühle mich fit und gesund und vor allem möchte ich nicht stigmatisiert werden, weil jemand bestimmt, dass ich zu einer Risikogruppe gehöre. Ich möchte nicht in Quarantäne gesperrt werden, während sich andere (grob gesprochen) draußen vergnügen. Mein Freiheitsbedürfnis drängt aus dieser Schublade „Risikogruppe“ heraus. Verantwortung für eine Risikogruppe sollte vielleicht mit dem Willen und der Zustimmung der „Betroffenen“ übereinstimmen.

Sylvia

 

 

 

7. Die richtige Distanz zwischen Sicherheit und Freiheit…
… finde ich in einem Mindestmaß an Transparenz bei der Durchsetzung und Durchführung (Judikative, Exekutive) von gesellschaftlich verabredeten gesetzlichen Maßnahmen (Legislative), die demokratisch beschlossen wurden.
Als Beispiele falscher Distanz seien genannt: Steuerprüfungen bei vermögenden Bürgern finden wegen mangelnden Fachpersonals nur unzureichend statt, sodass die Wahrscheinlichkeit, einer Steuerprüfung unterzogen zu werden lukrativ unwahrscheinlich wird.
Beispiel 2: Betrügerische Cum-Ex-Geschäfte sind nur möglich aufgrund „fehlerhafter“ Formulierungen des entsprechenden Gesetzes. Das Schließen dieser Formulierungslücke geht bereits ins 10te Jahr.
Beispiel 3: viele Gesetze und Verordnungen werden an wirksamen (?) Kontrollgremien vorbei direkt von Lobbymitarbeitern vorformuliert und zur Verabschiedung dem Parlament vorgelegt.
Da der Mensch „aus krummen Holz“ geschnitzt ist und mithin zum Machtmissbrauch neigt, muss, wo immer Macht sich anhäuft und Verantwortung delegiert wird wirksame Kontrolle eingesetzt werden.
Grundsätzlich betrachtet überwachen wir uns gegenseitig zum Wohle des Gemeinwesens, was sich in der Gewaltenteilung widerspiegelt. Wird dieser Kontrollkreislauf von interessierter Seite gestört, findet keine Kontrollkonvektion mehr statt und es kommt zur Schichtenbildung (Physik). Eine Schicht kontrolliert zunehmend die anderen beiden Schichten (Modellvorschlag: Oberschicht, Mittelschicht, Unterschicht = Prekariat).
Durch zunehmende Beeinflussung der vierten Gewalt (freie Presse) durch die Oberschicht, wird die Mittelschicht gegen die Unterschicht ausgespielt, gemäß dem alten Prinzip: divide et impera. Beeinflusst ist dieses Denk-modell von den Ausführungen Ulrike Herrmanns: „Hurra, wir dürfen zahlen“ – Der Selbstbetrug der Mittelschicht, wobei eine gezielte General-verdächtigung und Verachtung der Unterschicht (Leistungsmissbrauch, Faulheit) zur Ablenkung von Umverteilungsprozessen öffentlicher Gelder von unten nach oben benutzt wird.
Somit gerät eine mögliche und erstrebenswerte Balance – „Checks and balances“ - (das rechte Maß) zwischen Sicherheit und Freiheit immer mehr in Schieflage.
Diese zunehmende soziale Schieflage sieht auch die renommierte Europapolitikerin Prof. Ulrike Guerot als die größte Gefahr für die Demokratie.
anonym2
8. In dem Beispiel der Stachelschweine liegt es auf der Hand. Das Kriterium des Abwägens gründet bei den Stachelschweinen in der Erfahrung der Vermeidung von Schmerz und der Suche nach Wärme. Diese Pole sind nicht statisch, sondern oszillieren. Das Handeln ist deshalb ständig zu korrigieren und anzupassen (Erzeugen die fremden Stacheln so schwere Verletzungen, sodass das Leben bedroht ist oder ist das Leben durch Wärmeentzug bedroht). Betrachtet man den Prozess des Abwägens genauer, dann erkennt man, dass mindestens zwei Über-legungen dabei von Bedeutung sind.

a) Was ist die ethische Grundlage des Abwägens? (Auf welche Werte wird Bezug genom-men?)

b) Auf welcher Informationsgrundlage geschieht das Abwägen? (Welches gesicherte Wissen liegt vor?)

In Bezug auf die ethische Grundlage ist die „Würde des Menschen“ (Art. 1) ein zentraler Bezugspunkt, um das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit abzuwägen. Wohin das Pendel fällt, ist in Bezug auf die konkreten Bedingungen des Einzelfalls situationsabhängig immer wieder neu abzuwägen. Für mich  heißt dies, dass ich aktuell (!) die Einschränkung der Freiheit zugunsten der Sicherheit akzeptabel finde.

Zur zweiten Überlegung: Diese Einschränkung der Freiheit gilt es aber ständig im Kontext des zur Verfügung stehenden gesicherten Wissens zu prüfen und ggfs. zu ändern. Verändert sich das gesicherte Wissen durch neue, geprüfte Erkenntnisse, so ergeben sich darin u.U. Begrün-dungen für eine verändertes Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Allerdings, dies ist m.E. sehr wichtig: Aus den Fakten allein ist keine Entscheidung zu begründen (naturalistischer Fehlschluss). Dies bedarf zusätzlich der ethischen bzw. der politischen Abwägung und Ent-scheidung.

Fazit: Grundlage des Abwägens zwischen Sicherheit und Freiheit sind sowohl „gesicherte Informationen“, die aber immer nur vorläufig sein können (Annahme des Irrtums) wie eine Abwägung der ethischen Begründungen (Diskursethik). Beides ist in Bezug des staatlichen Handelns Aufgabe der Politik.

Hans-Joachim Puch

 

Kommentar: Mir gefällt der Begriff des Oszillierens (3.8.), ein ständiges Abwägen der Werte, der Moral, der Ethik mit immer neuen gesicherten und kritisch betrachteten Informationen zur Sachlage, um eine Ausgewogenheit zwischen Sicherheit und Freiheit zu erreichen und zu erhalten.

Sylvia

 

Kommentar: Ich stimme Ihrer Analyse zu. Das Ergebnis des Abwägens ist aber für Viele individuell unterschiedlich, da schon die ethischen Grundlagen und die Informationsgrundlagen der Menschen verschieden sind. Für mich komme ich (wie Sie) zu dem Ergebnis, dass die aktuellen Einschränkungen der Freiheit zugunsten der Sicherheit akzeptabel sind. Diese persönliche Balance wird gestört, wenn ich Menschen begegne, die (aus welchen Gründen auch immer) für sich zu einem anderen Ergebnis gekommen sind und sich über die Regeln hinwegsetzen. Ich fühlemich dann „bedroht“, weil mein Verhältnis von Sicherheit und Freiheit nicht eingehalten ist. Natürlich wird die individuelle Balance ständig durch verfügbare neue „gesicherte Informationen“ adjustiert, wobei die Balance auch davon abhängt, ob ich überhaupt ethische Grundsätze reflektiere und welche Informationen ich einbeziehen will. Daher kommt naturgemäß ein Anhänger von Verschwörungstheorien zu völlig anderen Ergebnissen als beispielsweise die in der Krise staatlich Handelnden.

Kai

 

 

9. Die persönliche Freiheit der Mitglieder einer Gesellschaft ist immer nur im Spannungsfeld zwischen Eigennutz und Fremdschädigung zu sehen, zwischen Machbarkeit und Illusion.

Verantwortung, Freiheit, Sicherheit sind für mich drei Eckpunkte eines Dreiecks, die eine Gesellschaft definieren, und immer miteinander verknüpft sind. Wer sich völlig aus dieser Eingrenzung herausbegeben will – ob es überhaupt möglich wäre, sei dahingestellt—kann dies nur auf Kosten anderer tun.

Um als Beispiel in der Virussituation zu bleiben: wer sein Kind nicht gegen z. B. Masern impfen lässt, profitiert massiv von einer in der Gesellschaft hohen Impfrate der Anderen.

Luitgard Wölfel

 

 

 

10. Solange ich niemanden wissentlich gefährde, lebe ich frei, zu Hause zum Beispiel. Sobald ich mich im öffentlichen Raum bewege, halte ich mich an die Vorschriften. Ich mache mir Gedanken ob die Vorschriften für mich Sinn sind ergeben suche mir Menschen und Informationsquellen um zu mehr Klarheit zu kommen.

Ingrid

 

Kommentar: In den Einschränkungen der momentanen Situation kann ich mich allenfalls frei fühlen, frei sein im eigentlichenSinn, kann ich nicht. Selbst wenn ich glaube zuhause frei zu sein, bin ich doch dorthin gezwungen durch Ausgangsbeschränkungen. Es ist ein Unterschied, ob ich freiwillig zuhause bin oder ob ich dorthin verbannt bin und das Haus nur unter Bedingungen (allein, zum Joggen, mit Mundschutz) verlassen darf.

Sylvia

 

 

 

11.Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt." 

Dieser Satz trifft m. E. auch auf die die Freiheit teilweise einschränkenden Maßnahmen im Zuge der Coronakrise zu. Das völlig verständliche Bedürfnis und natürlich auch Recht jedes Einzelnen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit einschließlich aller im Grundgesetz verankerten Grundrechte kollidiert mit den Freiheitsrechten anderer Menschen, in diesem Fall mit dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2, Abs.2  GG), und zwar nicht nur die Risikogruppen betreffend, sondern alle Menschen.

Die höchst schwierige Aufgabe der Politik war und ist es, fortwährend die Einschränkung der verschiedenen Grundrechte und deren Folgen abzuwägen und dabei auch noch viele andere Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft etc. zu berücksichtigen.

Diese unglaublichen Dilemmata sollte sich jeder, der sich beschwert oder Kritik übt, was verständlich und sein gutes Recht ist, bewusst machen.

Wer aber die Einschränkung seiner Freiheitsrechte mit dem Verweis auf das Grundgesetz im Prinzip zurecht hinterfragt, sollte auch den folgenden Satz im Grundgesetz lesen und berücksichtigen:

 Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ (Art. 2, Abs.1  GG)

Nicht vergessen werden sollte bei der Beurteilung der Gesamtsituation auch, dass es sich gewiss "nur" um vorübergehende Maßnahmen und Einschränkungen handelt, was einen das Ganze ein wenig leichter ertragen lässt, vorausgesetzt natürlich, dass man nicht in seiner Existenz bedroht ist.

anonym3

 

Kommentar: Kann es sein, dass wir nur wirklich frei sind in unseren Gedanken? Findet dort unsere wahre Freiheit statt? Finde ich nur da die Verhältnismäßigkeit zwischen Freiheit und Sicherheit? In meinem Kopf kann ich alles sein: Terrorist und Wohltäter, Mörder und Lebensretter, arm und reich oder was immer ich will. Nur in Gedanken kann ich alle Moral und Ethik fallen lassen, weil niemand und nichts meine Gedanken sanktioniert, außer vielleicht mein eigenes schlechtes Gewissen, so etwas gedacht zu haben. Ich kann über alle Grenzen hinausdenken. Ich brauche keine Sicherheitsmaßnahmen, weil der Verstand meine Unversehrtheit nicht bedroht. So heißt es in einem Volkslied: „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen, es bleibet dabei: die Gedanken sind frei ...“

Sylvia

 

 

Kommentar:Ich stimme Ihrer Argumentation voll zu. Dennoch bleibt das „Problem“ der Auslegung bzw. Konkretisierung des Verhältnisses zwischen Art. 2, Abs. 1 und Art. 2. Abs. 2 GG. Beide Grundrechte stehen ja in keinem hierarchischen Verhältnis zueinander. Inwieweit könnte hier eine Interpretation im Licht von Art. 1 Abs. 1 GG („Würde des Menschen ist unantastbar“) hilfreich sein? Schließlich gibt es eine Reihe verfassungsrechtlicher Auslegungen zu diesem Artikel.

Hans-Joachim Puch