Beiträge und Kommentare

Die Beiträge werden wörtlich wiedergegeben und spiegeln die Meinung des jeweiligen Teilnehmers wider. Ihre Kommentare werden farbig angefügt.

Das philosophische Feedback von mir erhalten Sie auf Mail-Anfrage als Audiodatei. Dieser persönliche Austausch bleibt unter uns und wird hier nicht veröffentlicht.

1: anonym2

 

Beides gehört zu einem guten Gespräch, in unterschiedlichen Gewichtungen, je nach Art des Gesprächs (Verhandlung, Besprechung, Diskussion, Gespräch mit einem Vertrauten, Plauderei). Anlass und Gesprächspartner bestimmen die Gewichtung. Ein Gespräch mit einem Vorgesetzen steht unter anderen Vorzeichen als ein Gespräch unter Freunden. Bei einer Diskussion oder Verhandlung wird der Schwerpunkt auf der – eigenen – Argumentation und der Erreichung eines Zieles oder neuer Erkenntnisse  liegen, während bei einem an einem trägen Sommernachmittag geführten Zwiegespräch mit einem langjährigen, vertrauten Freund ein paar hingeworfene Worte und ein Lächeln oder Nicken des Gegenüber fast beiläufig die Erkenntnis von tiefer, unverbrüchlicher Seelenverwandtschaft offenbaren können. Auch diese Erfahrung des besonderen zwischenmenschlichen Miteinanders ist für mich persönliches Wachstum. Egal auf welcher Ebene: echtes Interesse, Offenheit und Zeit sind die Voraussetzungen für ein gutes Gespräch, das immer ein menschliches Miteinander ist und nur mit diesem gelingt auch persönliches Wachstum.

 

 

Kommentare

Dorin Ulmann:Sehr sachlich, differenziert und gleichzeitig schön und menschlich ausgedrückt!
Diese Differenzierung (Anlass, Personenkreis, etc.), wie man ein Gespräch vorbereitet, führt, bewertet - all das war mir ebenfalls entscheidend für ein gutes Gespräch und habe deshalb selbst paar Zeilen darüber geschrieben.

(

 

 

2: Dorin Ulmann

 

Persönliches Wachstum oder zwischenmenschliches Miteinander - was macht für Sie ein gutes Gespräche aus?

Um vielleicht mit der Schlussfolgerung zu beginnen: ich empfinde beides wichtig und für jedes Mitglied einer sozialen Gesellschaft sogar erforderlich.
Man kann aber nicht veralgemeinern und schon gar nicht festlegen wollen, wie wichtig. Denn jeder von uns ist anders gestrickt und empfindet sogar gleiche Lebenserfahrungen persönlich vielleich anders.
Mein Gefühl ist, dass jeder Tag, an dem man mindestens etwas neues gelernt hat, ein gewonnener Tag ist. Und dass es eines Tages nichts mehr zu lernen gibt, darüber braucht man keine Angst zu haben! 

Neues kann man aus vielen Quellen erfahren: aus der Natur, aus Büchern, aus Vorträgen, u.s.w., aber auch eben aus Gesprächen. Man geht nach Hause, man denkt nach, vielleicht macht man sich eine Notiz, eventuell recherchiert man etwas weiter im Internet ... Das macht Freude, ist bereichernd, es ist ein persönliches Wachstum - ein solches Initial-Gespräch ist gut!

Dabei lernt man weniger aus Reden wie ein Wasserfall, als aus ruhigen, gesetzten Gesprächen. Oder überspitzt formuliert:

Je weniger man redet, desto mehr behält man; beim Schweigen ... sogar alles.

Was unsere sozialen Bindungen betrifft, das zwischnmenschliche Miteinander: ohne miteinander zu reden, zu kommunizieren, ein Gespräch zu führen - ist schwer vorstellbar normal existieren zu können.
Ob das beim Mittagessen in der Firma geschieht, bei den Nachbarn auf der Terrasse, bei einem Kaffee mit einem Freund in der Stadt - alles unwichtig. Was zählt, ist eben ein offenes und ungezwungenes Gespräch, ein Gedankenaustausch, Neuigkeiten wechseln, hören, was auch der andere dazu meint, einige Zeit entspannt und gut miteinander verbringen ...

 

Kommentare

Sylvia:

Je weniger man redet, desto mehr behält man, und wenn man schweigt behält man alles …  Wenn ich mit niemandem rede, alles nur in mir selbst reflektiere, habe ich dann eine Chance mich weiter zu entwickeln? Braucht der Mensch nicht Input von außen und aller Art, um sich eine Meinung zu bilden, neue Erkenntnisse zu finden oder seine Einstellung zu ändern? Sicher kann man Bücher lesen, im Internet recherchieren oder Beobachtungen machen. Aber ist damit gewährleistet, dass ich an etwas sachlich herangehe? Ich reflektiere ja nur in mir und mit mir selbst. Ich höre keine anderen Meinungen, kann keine anderen Erkenntnisse mit  meinen vergleichen. Bringt mir das wirklich persönliches Wachstum? Wenn man mit anderen redet, hat das m.E. nichts damit zu tun, dass man „alles hergibt“ (im Gegensatz zu „alles behält“ beim Schweigen), sondern dass man seine Ansichten und Kenntnisse frei lässt, damit sie mit anderen Ansichten und Erkenntnissen verglichen, ergänzt, bestätigt oder berichtigt werden. Vieles wird einem durch das Aussprechen auch erst wirklich bewusst. Wenn wir uns nicht durch Gespräche austauschen, sind wir wieder bei Montaigne (Flaschenpost 1), der sich zurückzieht ins stille Kämmerlein, um allein mit sich über das Leben zu philosophieren.

 

Ob das beim Mittagessen in der Firma geschieht, bei den Nachbarn auf der Terrasse, bei einem Kaffee mit einem Freund in der Stadt - alles unwichtig?  M.E. sind auch solche Gespräche wichtig, um Menschen kennenzulernen, sie einordnen zu können. Und wenn ich beim Nachbarn auf der Terrasse über den Garten plaudere, empfinde ich ein positives Miteinander und entwickle mich persönlich weiter, weil ich mich angenommen fühle oder weil ich lerne, wie man die Pflanze X am besten düngt. Und vielleicht wird ja an einem anderen Tag ein tiefer gehendes Gespräch daraus.

 

 

 

3. anonym4

 

Ich assoziiere mit Wachstum sofort Leistungsfähigkeit, persönliche Optimierung, wie es aus allen Wirtschaftsmagazinen schreit. Man nützt sein Potential nicht genügend aus, natürlich nur zum eigenen Nutzen oder des Unternehmens. Eine Vielzahl an Büchern steht bereit, Tipps und Tricks zu vermitteln. Kant hat geäußert, der Mensch ist selbstsüchtig. Würde also zu vorstehenden Ausführungen passen. 

Ist es das, was für ein gutes Gespräch als eine Komponente zu beurteilen ist? Wäre es so, dann schließt sich persönliches Wachstum und zwischenmenschliches Miteinander fast immer aus (Ausnahmen sind möglich). Doch ich glaube, dass das  mit persönlichem Wachstum auf einer anderen Eebene zu verstehen ist.

 

 

Kommentare

 

Dorin Ulmann:

Absolut richtig finde auch ich, dass Lesen zum Nachdenken, zu einem inneren Dialog und somit zu einem guten Gespräch führen kann.

Und der große Vorteil dabei ist, dass man dann Zeitpunkt, Zeitdauer, Tiefe und Ablauf  selbst in der Hand hat!

 

 

Sylvia:

Ich assoziiere mit Wachstum sofort Leistungsfähigkeit, persönliche Optimierung, wie es aus allen Wirtschaftsmagazinen schreit…   Ich denke, dass der Aspekt „gute Gespräche werden nicht geführt, sondern gefühlt“ sehr wichtig ist. Die persönliche Optimierung ist dann vielleicht der falsche Begriff. Wachstum hat ja nicht unbedingt etwas mit Leistungsdruck zu tun, sondern mit persönlicher Offenheit zu Weiterentwicklung, Lernzuwachs, Horizonterweiterung etc. Und ganz am Ende aller Gespräche, die wir jemals geführt haben,  haben wir uns dann vielleicht ein bisschen optimiert. Denn wer legt fest, wann wir optimiert und optimal sind? M.E. schließt sich ein zwischenmenschliches Miteinander und persönliches Wachstum auch nicht gegenseitig aus. Denn nur in einem positiven Umfeld kann wirkliches persönliches Weiterentwickeln gedeihen, können neue Erkenntnisse assimiliert werden und werden wollen.

 

 

 


4: anonym5

 

1. Ein wirklich gutes Gespräch hat Nachklang. Es stößt eine Reihe neuer Gedanken an und bringt Aspekte ins Spiel, an die man
vorher nicht gedacht hat.
2. Schwierig wird es, wenn das Gespräch manipulieren, belehren oder in eine gewissen Richtung lenken soll.
3. Lesen kann auch zum inneren Dialog führen.

 

 

Kommentare

Sylvia:

"Lesen kann auch zum inneren Dialog führen."  Das stimmt. Aber ein innerer Dialog ist immer ein Zwiegespräch zwischen dem Gelesenen, also der persönlich gefärbten Aussage eines Autors, und mir selbst, meinen eigenen Ansichten, Erfahrungen und Kenntnissen. Wenn ich die Chance habe, jemanden zu finden, der denselben Text gelesen hat, und mich mit ihm darüber unterhalten kann, werde ich vielleicht feststellen, dass mein Gesprächspartner denselben Text unter einem ganz anderen Aspekt sieht. Ein äußerer Dialog kann mir also neue und wertvolle Perspektiven erschließen.

 

E.K.:

...den Nachklang eines Gespräches finde ich sehr wichtig; er ist es, der das Wachstum ausmacht, auch dann, wenn das Gespräch misslingt.

 

 

 

 

 

5: Sylvia

Ich möchte ein gutes Gespräch mit einem Fluss vergleichen. Der Fluss entspringt an einer Quelle oder an mehreren. Wir eröffnen das Gespräch, wir plaudern. Nebenflüsse münden in den Hauptfluss und machen ihn breiter und tiefer. Meinungen, Erkenntnisse, Erfahrungen, Weisheiten fließen in das Gespräch ein und vertiefes. Der Fluss bildet Nebenarme, umspült Inseln und kommt dahinter wieder zusammen. Das Gespräch fächert auf, das Thema erweitert sich, läuft eventuell Gefahr in eine andere Richtung zu driften, bis es wieder zurückfindet zum Hauptthema. Der Fluss bildet eine Stromschnelle. Das Wasser tost, bis es wieder ruhig in der Ebene weiterfließt. Das Gespräch und die Meinungen gehen auseinander, die Diskussion wird heftiger, man findet einen Konsens oder einen Kompromiss, das Gespräch geht geordnet weiter. Der Fluss mündet ins Meer mit all seinen mitgespülten Sedimenten. Das Gespräch läuft aus, endet schließlich und entlässt uns in den Alltagmit neuen Erkenntnissen oder einfach nur positiv gestimmt und zufrieden mit einem „guten Gespräch“.

 

 

Kommentare

Dorin Ulmann:Bildhafte, lebendige und passende Metapher, das Gespräch mit einem Wasserlauf zu vergleichen. Die Parallelen sind offensichtlich: der Anfang – die Quelle, dann der Ablauf, mit all seinen Höhen und Tiefen, und zum Schluss - der weite Ozean ... Glückwunsch!

 

E.K.:

...buchstäblich mitreißend schön ihre Metapher, die das Miteinander und gemeinsame Wachstum aller an einem Gespräch beschreibt (egal, ob man die Gesprächspartner als Teil des Flusses oder als das Meer sieht, immer ist Wachstum da. Interessant wäre ihr Bild eines misslungenen Gespräches.

 

 

 

 

6: anonym6

Ich möchte für mich eine Unterscheidung treffen zwischen den Begriffen Gespräch und Diskurs, bzw. Diskussion. Vielleicht ist im Fachjargon der Philosophie beides synonym zu verwenden.

Ein Gespräch, jedenfalls das Gespräch mit einem direkten Gegenüber bedarf für mich  des gegenseitigen, persönlichen Interesses am Anderen und seiner Meinung.

 

Aber vielleicht ist schon der Begriff Meinung hier in Bezug auf ein Gespräch im philosophischen Sinn nicht zielführend, denn wer eine gefestigte Meinung hat, ist nicht so leicht bereit, im Gedankenaustausch einen neuen Anstoß aufzunehmen und weiterzuentwickeln, er ist vielmehr in eine sogenannte Diskussion verwickelt.

 

Soll also ein ideales Gespräch im freien Gedankenfluss, frei von Emotion, zu immer neuen Ideen führen? Stellt sich Habermas das so vor?

Ich halte das für etwas unrealistisch, bzw. nur auf einer ganz „abgehobenen“ Ebene möglich. Am ehesten wenn ein Gespräch auf der Suche nach Neuem ist, nicht auf der Suche nach  einer Einigung, einem Fazit, einer Lösung.

 

Von daher könnte ich mir vorstellen, dass Sokrates sich eigentlich den Gesprächsteilnehmer ohne Vorwissen, also ohne vorgefasste Meinung wünscht.

Sicher Geglaubtes soll durch immer neues Hinterfragen aufgeknotet werden, aber zu welchem Zweck?

Letztlich muss wieder eine Erkenntnis, eine Haltung, eine Meinung resultieren, die wir brauchen, um unser Leben zu gestalten. Ein permanentes Relativieren durch dauerndes Infragestellen ist im Alltag oft nicht hilfreich.

Es führt vielleicht unweigerlich zu der Erkenntnis, zu wissen, dass man nichts weiß, wie Sokrates sagt.

 

Kommentare

Dorin Ulmann:

Eine Meinung, so möchte ich das zumindest sehen, ist etwas nicht endgültig, definitiv, erstarrt, sondern noch offen, weiter suchend und bildend. Auf dieser Basis ist jedes Gespräch gewinnbringend möglich, man kann ein Dialog führen, dabei lernen und persönlich weiterkommen.

Es wäre in der Tat lähmend und unbefriedigend andauernd festzustellen, dass man nicht auf dem richtigen Weg war und auch jetzt nicht ist.
Doch könnte man es vielleicht auch so sehen: nichts ist im Leben festgenagelt, alles ist in Bewegung (Natur, Technik, Gesellschaft), man kann sein ganzes Leben lang lernen… Das ist doch spannend, ständig mehr zu erfahren, zu wissen und besser zu werden – es beruhigt die Gewissheit, dass man Schritt mit der Zeit hält, informiert ist, mehr leisten kann (im positiven Sinne und zwar nicht nur physisch und kreativ, sondern auch menschlich).

 


7: Jochen Puch

 

Ein gutes Gespräch, das heißt auf Augenhöhe miteinander zu sprechen, offen zu sein für die Argumente des anderen, das Gespräch nicht deshalb zu führen, weil die eigene Meinung nur bestätigt werden soll, zuzuhören, die eigenen Argumente zu prüfen und gegebenfalls auch einzugestehen, dass man mit der eigenen Meinung, mit den eigenen Argumenten falsch liegt. Damit sind für mich zentrale Merkmale eines guten Gesprächs schon skizziert.

Zu einem Gespräch sind mindestens 2 Personen erforderlich. Das zwischenmenschliche Miteinander ist deshalb der zentrale Bezugspunkt für ein gutes Gespräch. Wenn in dieser zwischenmenschlichen Kommunikation die oben genannten Merkmale berücksichtigt werden, dann kann das Gespräch ein Gewinn für beide Beteiligten sein. Insofern kann ein gutes Gespräch eine Chance für die Entwicklung und Wachstum einer Beziehung, wie auch die Chance für eine persönliche Entwicklung und ein persönliches Wachstum sein.